Vier Wochen lang war Bischof Bertram Meier Geheimnisträger, denn Papst Franziskus wünschte sich die Weltsynode als „Schutzraum“ – auch gegenüber der Presse. Zum Abschluss der ersten Runde zieht der Augsburger Oberhirte und Weltkirchebischof als einer von drei Gesandten der Deutschen Bischofskonferenz für unsere Zeitung ein erstes Fazit.
Herr Bischof, beim Gottesdienst in der Kirche des Campo Santo (wir berichteten) sprachen Sie sich für einen goldenen Mittelweg aus. Und Sie erteilten Extremen jeder Art eine Absage. Hat die Weltsynode diese Erwartungen erfüllt?
Vier Wochen sind allein schon von der Dauer her eine Möglichkeit, sich kennenzulernen und ausgiebig auszutauschen. Dass den Beratungen drei Besinnungstage an einem Ort außerhalb Roms mitten in der Natur vorgeschaltet waren, hat gutgetan. Wir atmeten die Frischluft der Schöpfung. Wir durften ankommen – mit Leib und Seele. Wir konnten uns „beschnuppern“ und erspüren, wie der beziehungsweise die andere tickt.
Nach diesem „Warming up“ sind wir dann am Fest des heiligen Franziskus nach dem Eröffnungsgottesdienst in die Gespräche gegangen. Dabei spielten die sogenannten „Konversationen im Heiligen Geist“ eine wichtige Rolle. Nicht nur die Tagesordnung abarbeiten, sondern Eindrücke sammeln, darüber nachdenken und in Stille stehen lassen, das Gehörte und Gesagte ins Gebet nehmen: Das waren für mich wertvolle Erfahrungen.
Wir haben das Gesetz der Langsamkeit entdeckt, ohne dass wir Daumen gedreht hätten. So landeten wir nicht in Extrempositionen der Schwarz-Weiß-Malerei, sondern konnten auch die Zwischentöne und Schattierungen aufmerksam wahrnehmen und verarbeiten. Wir haben einander nicht in Schubladen gesteckt, sondern waren offen für Anknüpfungspunkte, die in der Meinung des anderen liegen. Eine solche Haltung polarisiert nicht, sondern trägt wesentlich bei zum Brückenbau.
Von Beobachtern wurde der „Geist der Synode“ als anders, intensiv und sehr um Verständnis und Dialog bemüht beschrieben. War es die von Ihnen so titulierte „Hörschule der Kirche“?
Ja, wir haben wirklich aufeinander gehört. Das war schon allein eine sprachliche und akustische Herausforderung. Denn viele mussten sich auf eine Fremdsprache einlassen. Da es keinen eigenen deutschen Sprachzirkel gab, waren auch die deutschsprachigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezwungen, ihre Muttersprache zu verlassen und sich auf neues Terrain zu begeben. Das war einerseits anstrengend, andererseits hatte es zur Folge, wesentlich zu werden, das heißt sich nicht nur auf kleine Details zu konzentrieren, sondern die Dinge auf den Punkt zu bringen. Nicht missen möchte ich die Gespräche auf dem Gang, im Atrium während der Kaffeepause und bei den Mahlzeiten. Da geschieht viel. Da sind wir einander nähergekommen. Wir haben gelernt, uns persönlich und die kulturellen „Hinterländer“, die uns prägen, besser zu verstehen. Und dass sich auch 54 Frauen unter uns Männer an den runden Tischen mischten und nicht nur Zuhörende, sondern Teilnehmende am Gespräch waren, war wohltuend.
Wie geht es nun formell weiter nach der ersten Runde und inwieweit entscheidet der Papst?
Jetzt müssen wir die erste Runde sich erst einmal setzen lassen. Wir reisen alle wieder in unsere Heimat zurück und widmen uns den Aufgaben, die liegen geblieben sind und auf uns warten. Bis zur nächsten Vollversammlung der Weltbischofssynode, die für Oktober 2024 geplant ist, sind es elf Monate. Wir werden unsere Eindrücke in den Heimatländern einbringen und von unseren Erfahrungen erzählen. Ein Teilnehmer sagte: „Die Worte auf der Synode müssen nun keimen.“
Für das Bistum Augsburg schwebt mir vor, dass wir die „synodalen Übungen“, die wir in den verschiedenen Gremien, zum Beispiel im Priesterrat oder beim Diözesanrat der Katholiken, schon mehrfach praktiziert haben, weiterführen. Gleichzeitig müssen wir realistisch bleiben: Synodale Übungen brauchen Zeit. Synodale Kirche funktioniert nicht im Galopp. Das sollten wir bedenken, wenn wir Ehrenamtliche dabei noch mehr einbinden wollen. Ehrenamtliche setzen ihre Freizeit ein – und die ist begrenzt. Wir dürfen unsere Ehrenamtlichen nicht überfordern, wir müssen sie gut begleiten und ermutigen.
Synodalität als Lebensform der Kirche heißt ja auch die Kultur der Partizipation ausbauen. Das versucht Papst Franziskus dadurch, dass er mit vielen Menschen im Gespräch ist und sie anhört. Das heißt nicht, dass der Papst sich in seiner Entscheidungsvollmacht selbst relativiert. Synodalität sieht er darin, gut beraten zu sein, um verantwortet entscheiden zu können. Synodale Gremien sind weniger Entscheidungs- als vielmehr Beratungsgremien.
Was weltkirchlich gilt, trifft auch für die Ebenen der Diözese oder der Pfarrei beziehungsweise Pfarreiengemeinschaft zu. Ich wünsche mir, ein gut beratener Bischof zu sein. Ähnliches gilt für unsere Pfarrer. Wir müssen versuchen, die Leute mitzunehmen, dann aber auch den Mut aufbringen, Entscheidungen zu treffen und durchzutragen.